Tacheles 2025 | Aller guten Dinge sind drei
Die dritte TACHELES-Konferenz trifft mit dem Thema Open Source voll ins Schwarze
Bei der diesjährigen Ausgabe von TACHELES – der anderen Konferenz zum autonomen und vernetzten Fahren im CyberForum in Karlsruhe trafen am 22. und 23. Mai 2025 viele bekannte auf noch mehr neue Gesichter. Begrüßt wurden Fachleute aus der Automobil- und Zulieferindustrie sowie Expert:innen aus der Wissenschaft und der Community der Open Source-Softwareentwicklung.
All Open – All In? Source, Data, Coopetition for Autonomous Driving
Die Frage war, ob TACHELES #3 mit diesem Themenkomplex als Titel an die beiden erfolgreichen Vorgänger-Veranstaltungen anschließen konnte. Das kann klar mit Ja beantwortet werden. Mit über 100 Teilnehmenden erreichte die vom Forschungszentrum Informatik FZI dieses Jahr in Partnerschaft mit KAMO Karlsruhe Mobility – High Performance Center ausgerichtete und unter der Schirmherrschaft des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg stehende Fachveranstaltung ohne weiteres das Niveau der Vorjahre. Das Thema hat offensichtlich ins Schwarze getroffen. Mit den KI-Entwicklungen und dem zunehmend über Software definierten Fahrzeug steht inzwischen die Frage im Raum, wieviel proprietäre Softwareentwicklung es tatsächlich (noch) braucht und wo es effizienter, schneller und günstiger ist, Open Source-Lösungen zu nutzen.
Kooperation als Schlüssel für das Software Defined Vehicle
Zwei unterschiedliche Welten, die einander eigentlich sehr kritisch beäugen, bekannten auf der Fachkonferenz ihren Willen zu mehr Kooperation: Fahrzeughersteller und ihre hochspezialisierten Zulieferer, die sich bisher stark auf proprietäre Softwarelösungen konzentrieren sowie die Open Source Community, die auf die Schwarmintelligenz setzt. Hochschulen und Forschungseinrichtungen wiederum sitzen zwischen diesen Stühlen mit ihrem Anspruch, nach allen Seiten anschlussfähig zu sein.
Wie und in welchem Umfang diese Akteure im Bereich Softwareentwicklungen für autonomes Fahren kooperieren können, darüber muss auch nach der diesjährigen TACHELES-Konferenz noch viel diskutiert werden. Die Berührungsängste und Vorbehalte auf der Industrieseite sind nach wie vor groß, die Vorstellungen der Open Source Community scheinen unvereinbar mit den Entwicklungsrealitäten in den Konzernen. Dennoch wissen beide Seiten, dass ein gemeinsamer Weg wünschenswert und sinnvoll wäre, weil die Ressourcen endlich, Technologieentwicklung und Innovationsbedarfe dagegen riesig sind, um beim autonomen Fahren wesentliche Fortschritte erzielen zu können. Eine ideale Ausgangsbasis für TACHELES, dem Konferenzformat, auf dem auch die schwierigen Themen rund um autonomes und vernetztes Fahren seit nunmehr drei Jahren offen angesprochen und kontrovers diskutiert werden.
Open Source trifft auf das große Vermächtnis der Automobilindustrie
Wie viele Standardisierung braucht es, um tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln zu können, die auf Open Source Softwarelösungen basieren und dennoch die hohen, vor allem sicherheitsrelevanten Anforderungen der automobilen Welt abdecken könnten? Das war die Ausgangsfrage von René Großpietsch, der als Vertreter der von der Automobilindustrie gegründeten ASAM (Association for Standardization of Automation and Measuring Systems) mit seiner Keynote die Fachkonferenz eröffnete. Michale Pöhnl von APEX.AI stellte im Anschluss Eclipse Iceoryx vor, eine Open Source Lösung, die unter dem Dach der Eclipse Foundation entwickelt wurde. Dahinter steckte die Vorstellung, den Automobilherstellern und Tier 1-Zulieferern in Lizenz einen Open Source-Softwarestack zur Verfügung zu stellen, der deren Anforderungen vollumfänglich gerecht wird. In der Praxis kämpft das Geschäftsmodell noch mit dem Durchbruch, zum einen, weil die Kultur bzw. das Mindset in den Automobilunternehmen damit (noch) nicht zurechtkommt, zum anderen, weil der Bruch mit bestehenden Pfaden eine in vielerlei Hinsicht größere Investition darstellt. Der abschließende Fachvortrag von Dirk Weihrauch und Jan Wildeboer von Red Hat brachte die sehr unterschiedlichen Entwicklungswelten noch einmal auf den Punkt. Allerdings verdeutlichte der Vortrag aus Sicht einer der großen Open Source-Entwicklungsunternehmens auch, wie groß die Chancen sind, die mit Open Source verknüpft sind. Das Credo hier: Im Grunde gibt es keine Notwendigkeit für proprietäre Lösungen. Vielmehr kann nur durch Öffnung die Komplexität der Anforderungen bei AVF auch für die Zukunft und mit vernünftigem Aufwand gestemmt werden. Unabdingbar sind Kommunikation, der Wille zu Kooperation und ein Mindset, das Veränderung zulässt.
In der anschließenden Paneldiskussion, die mit der Rechtsexpertise von Prof. Paulina Pesch von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen sowie dem Open Source-Vertreter Michael Plagge von der Eclipse Foundation komplettiert wurde, traten die Unterschiede und die komplexen Rahmenbedingungen, in denen Softwareentwicklung heute erfolgt, noch einmal facettenreich zu Tage. Gleichzeitig sprachen sich die Panelisten unisono dafür aus, nicht nur aus ökonomischen Gründen zu versuchen, gemeinsam neue Wege zu gehen.
Workshops rund um Geschäftsmodelle, Simulation, erfolgreiche Kooperation und Daten
Einen großen Anteil widmete die TACHELES-Konferenz den vier Workshops. Sie näherten sich den Aspekten, die in den Vorträgen, der Paneldiskussion und im Showcase des Forschungszentrum Informatik bereits vielschichtig aufgezeigt wurden aus vier verschiedenen Perspektiven. Die Konferenzteilnehmenden waren aufgefordert, sich aktiv in die vielen offenen Fragestellungen einzubringen – von „Open Source und Coopetition: Die Gratwanderung zwischen Zusammenarbeit und Business Case“ über „Open Source in der Simulation: Günstiger und schneller zu Level 4/5“ bis hin zu „Produktentwicklung Open Source: In welchem Maß können Industrie und Forschungseinrichtungen kooperieren“ und „Alles, was Recht ist: Folgt Technik Recht – Formt Recht Technik?“.
In kontroversen Diskussionen kamen immer wieder die Unterschiede zwischen den traditionellen Entwicklungsansätzen in der Automobilindustrie und den Open Source Verfechter:innen zum Ausdruck. Das gegenseitige Verständnis ist zwar vorhanden und allen ist auch klar, dass die Entwicklung eines Software Defined Vehicle andere Anforderungen stellt als die bisherige Fahrzeugentwicklung. Wie genau und wie schnell sich beide Welten jedoch annähern und konkreter kooperieren können, konnte abschließend nicht beantwortet werden. Nichtsdestotrotz haben alle Teilnehmenden die Konferenz als Türöffner für weitere Gespräche und gar gemeinsame Entwicklungsprojekte erlebt. Als am Freitagnachmittag die Veranstaltung mit der Zusammenfassung der zwei Konferenztage durch FZI-Gastgeber Prof. Marius Zöllner endete, sah man zwar viele erschöpfte, aber auch sehr zufriedene Gesichter.
TACHELES – die andere Konferenz zum autonomen und vernetzten Fahren hat sich nach drei Ausgaben erfolgreich etabliert und alle sind gespannt, welches Thema nächstes Jahr auf der Agenda steht. Stay tuned!
(Fotos: ©FZI Forschungszentrum Informatik, Fotografin Sandra Göttisheim)
Agenda 2025
Tag 1 Donnerstag, 22.05.2025
Moderation Dr.-Ing. Miriam Ruf, KAMO: Karlsruhe Mobility / Fraunhofer ICT |
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ab 12:00 | Registrierung im #SmartProductionPark Rintheimer Str. 23, 76131 Karlsruhe |
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13:00 | Begrüßung durch den Gastgeber Prof. Dr.-Ing. J. Marius Zöllner, FZI Forschungszentrum Informatik und Karlsruher Institut für Technologie (KIT) |
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13:10 | Grußwort des Schirmherrn Philipp Franke, Abteilungsleiter Mobilitätszentrale, vernetzte und digitale Mobilität, Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg |
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13:20 | Keynote – Open Source: Ein Glücksversprechen, das ohne praxisnahe Standards nicht zum Business Case taugt? Dr. Rene Grosspietsch, BMW AG und ASAM e.V. |
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13:50 | Perspektive 1 – Eclipse iceoryx: Open Source auf Weltniveau – Geschäftsmodelle und Kooperation auf Sparkurs? Michael Pöhnl, APEX.AI GmbH |
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14:10 | Perspektive 2 – All Open – All In: Alles nur eine Frage des Mindset? Dirk Weihrauch und Jan Wildeboer, Red Hat GmbH |
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14:30 | Kaffeepause | |
15:00 | Panel- und Publikumsdiskussion Dr. Rene Grosspietsch, BMW AG und ASAM e.V. Michael Pöhnl, APEX.AI GmbH Dirk Weihrauch, Red Hat GmbH Prof. Dr. Paulina Pesch, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Michael Plagge, Eclipse Foundation |
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15:45 | Workshop Pitches | |
16:00 | Pause | |
16:15 | Zwei parallele, interaktive Workshops | |
Workshop 1 – Open Source und Coopetition: Die Gratwanderung zwischen Zusammenarbeit und Business Case? Dr. Ulrich Wurstbauer, Luxoft GmbH Josef Jiru, Fraunhofer IKS Darum geht es: Open Source steht für Offenheit und Kooperation – doch wie viel Zusammenarbeit ist zu viel? Wo endet der Nutzen gemeinsamer Entwicklung und wo beginnt das Risiko für die eigene Wettbewerbsfähigkeit? In diesem Workshop geht es um das Spannungsfeld von Coopetition und wie Strategien aussehen könnten, um Open Source sinnvoll in den eigenen Business Case zu integrieren. Diskutiert wird u.a.: • Wie sich Open-Source-Modelle zwischen Kooperation und Wettbewerb entwickeln • Wie Unternehmen von Zusammenarbeit profitieren, ohne sich Marktchancen zu verbauen • Wie geistiges Eigentum geschützt und dennoch Innovation gefördert werden kann • Wie sich die richtige Balance zwischen Offenheit und strategischem Vorteil finden lässt – für nachhaltigen Erfolg mit Open Source | Workshop 2 – Open Source in der Simulation: Günstiger und schneller zu Level 4/5? Cornelia Denk, BIT Technology Solutions GmbH Natalie Grabowsky, TU Berlin Darum geht es: Inwieweit können offene Simulationstools wie CARLA dazu beitragen, die Entwicklung autonomer Fahrfunktionen auf die höheren Level zu beschleunigen? Liefern sie eine passende und ausreichende Datenbasis für Testen, Training und Validierung der auf hohe Sicherheit ausgelegten Systeme? In diesem Workshop wird der Frage nachgegangen, wie eine Standardisierung der Simulationsumgebung den Entwicklungsprozess beschleunigen und vor allem günstiger machen kann? Diskutiert wird u.a.: • In welchen Bereichen der Simulationsumgebung erscheint eine Standardisierung sinnvoll? • Aber warum ist das so schwierig? • Können Industrie und Wissenschaft gemeinsam ansetzen und wie könnte eine diesbezügliche Kooperation aussehen? |
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17:45 | Pause | |
18:00 | Diskussion der Workshopergebnisse und Abschluss-Session Tag 1 mit Vorschau auf Tag 2 | |
ab 18:30 | Networking-Event vor Ort |
Tag 2 Freitag, 23.05.2025
08:30 | Welcome mit Frühstück am FZI Haid-und-Neu-Straße 5A, 76131 Karlsruhe |
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09:00 | Showcase rund um Open Source und die autonome Mobilität der Zukunft am FZI Offene Daten, Open Source und transparente KI stehen im Zentrum unserer Demonstratoren: Alltagssprache wird mit offenen LLMs zu Code, Gesetze werden durch generative KI verständlich. Frei verfügbare Karten- und Drohnendaten ermöglichen realistische Tests für automatisiertes Fahren. Ampelerkennung, Sensorfusion und Bildanonymisierung basieren auf offenen neuronalen Netzen und Datensätzen. Remote Assistance, Fahrradsimulator und C-ITS-Kommunikation zeigen, wie Open Source die Infrastruktur der Zukunft gestaltet. |
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10:30 | Pause mit Übergang zum CyberForum | |
11:00 | Zwei parallele, interaktive Workshops | |
Workshop 3 – Produktentwicklung Open Source: In welchem Maß können Industrie und Forschungseinrichtungen kooperieren? Dr. Steffen Knoop, Robert Bosch GmbH Prof. Dr.-Ing. Michael Buchholz, Universität Ulm Darum geht es: Können sich durch Open Source Grundlagen- und angewandte Forschung so annähern, dass die Produktentwicklung davon profitiert? Wie können universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zu so einem Open Source-Ökosystem beitragen und wie weit können sie seriennahe Anforderungen unterstützen? Was bedeutet das für die Produktentwicklung in der Automobilindustrie? In diesem interaktiven Workshop wird betrachtet, wie Forschungseinrichtungen und Unternehmen voneinander profitieren können, wenn Unternehmen ihre Software öffnen, um zu kooperieren. Diskutiert wird u.a: • Welchen Nutzen für die Produktentwicklung haben unsere bisherigen Kooperationen wirklich? • Können und wollen Forschungseinrichtungen zukünftig direkt zur Produktentwicklung beitragen? • In welchen Konstellationen wäre dies möglich? • Wie bereit sind Unternehmen, für Ihre Produktentwicklungen stärker die Ansätze der Forschung zu berücksichtigen? • Könnte Open Source die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf eine neue Stufe heben? | Workshop 4 – Alles, was Recht ist: Folgt Technik Recht – Formt Recht Technik? Dr. Azarm Nowzad, Continental AI Lab Prof. Dr. Paulina Pesch, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Darum geht es: Daten teilen, aber so, dass auch jeder etwas davon hat – doch wer legt fest, wie die Umsetzung stattfindet? Und welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind dabei zu beachten? Folgt das Recht der Technik oder umgekehrt? In diesem Workshop werden die Herausforderungen und Möglichkeiten des Open Source-Datenmanagements sowohl aus technischer als auch von rechtlicher Seite beleuchtet. Diskutiert wird u.a. • Wie müssen Daten technisch aufbereitet sein, damit sie sinnvoll genutzt werden können? • Wertvolle Daten extrahieren – Welche Methoden helfen, Qualität vor Quantität walten zu lassen? • Rechtliche Rahmenbedingungen – Welche Vorgaben gelten für die Erstellung und Nutzung von öffentlichen Datensätzen? |
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12:30 | Kaffeepause | |
13:00 | Vorstellung Workshopergebnisse | |
13:25 | Open Stage-Abschlusssession | |
13:50 | Wrap-up TACHELES #3 und Verabschiedung Prof. Dr.-Ing. J. Marius Zöllner, FZI Forschungszentrum Informatik und Karlsruher Institut für Technologie (KIT) |
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14:00 | Ende TACHELES #3 inkl. Lunchbox |